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Freitag, 10. Februar 2012

De Viecha - die Brieftauben - Rennen - züchten - essen


Die Brieftauben

Die Brieftauben waren für  meinen Vater in zweifacher Hinsicht wichtig: erstens waren gedünstete Daum seine Leibspeise und andererseits war er ein sehr erfolgreicher und begeisterter Züchter, der aber auch seine Züchterkollegen mitkommen lies indem er von seinen erfolgreichen Zuchttauben Eier  weitergab.
So ließ er sich auch dazu überreden beim Reisetaubenverein in Kötzting den Vorstand zu machen und bei uns in der Hofeinfahrt wurden dann die Tauben „eingesetzt“.
Das heißt: die Reisetauben wurden nach Ringnummernkontrolle, die jede Taube individuell und einzigartig an ihrem Fuß hatte, in eine Liste eingetragen, eine zusätzlichen beschrifteten Gummiring an den anderen Fuß bekam – dafür gab es in kleines Gerät, damit dieses auch schnell und ohne Schaden machbar war -  und zu anderen in einen großen Reisekorb gesetzt. Natürlich kostete die Teilnahme an der Verschickung Geld.
Wie heutzutage die Paletten hatten diese großen Reisekörbe Normgrößen und wurden zu festgesetzten Zeiten von einem großen Lastwagen abgeholt, der alle teilnehmenden Reisetaubenvereine nacheinander abfuhr und die einzelnen Körbe einsammelte und anschließend zum Auslassziel, z.B. Rotterdam fuhr.
Abends traf man sich im Vereinslokal, jeder mit seiner mitgebrachten  Spezialuhr , die genormt und verplombt war, um gemeinsam und zeitgleich in ganz Bayern, die Uhr in Gang zu setzten.
So nun hatte man also gleichlaufende Uhren zuhause und Tauben auf der Reise, die am Zielort - unterwegs wurden sie natürlich gefüttert und getränkt - mit einer großen Klappe an der Lastwagenseite alle gleichzeitig „aufgelassen“ wurden. Diese Auflasszeit wurde am Sonntag  morgen im Radio bekannt gegeben und aus der bekannten Wegstrecke und der Auflasszeit konnten die einzelnen Vereinsmitglieder sich grob ausrechnen, wann mit der Heimkunft der einzelnen Renntauben zu rechnen sein könnte.
Nun hieß es zum vermuteten Zeitpunkt im Taubenschlag zu sitzen und mehrfach zu hoffen:
1. dass die Taube den Weg auch findet (der individuelle Ring der Taube ermöglichte auch eine Rückgabe des Tieres, wenn die Taube sich in einen anderen Taubenschlag verflogen hatte.
2. dass den Renntauben unterwegs nicht passiert ist (Gewitterfronten, Raubvögel z.B.)
3. dass die Taube, wenn sie schon zurückkommt, dann auch gleich in den Taubenschlag hinein fliegt und nicht etwa gegenüber auf dem Nachbardach sich mal eben eine Viertelstunde ausruht.
Aus diesem Grunde haben die Taubenzüchter auch einen besonderen Lockruf, den sie immer bei der Fütterung benutzen. Mit diesem „Pfiff“ werden dann die Tauben sowie der Besitzer sie kommen sieht, angelockt und im Taubenschlag sofort gefangen und der Gummiring entfernt.
Die Taubenuhr hat am Deckel eine Öffnung hinter der eine drehbare Walz mit Löchern sich befindet. Also: der Gummiring der ankommenden Taube wird in die Öffnung gesteckt und mit einem Schlüssel wird die Walze weiterbewegt und gleichzeitig auf einem Papierstreifen die Uhrzeit dokumentiert.
Damit ist der genaue Ankunftszeitpunkt objektiv dokumentiert – der einzelne Taubenschlag ist auf den Meter genau eingemessen und damit ist bei bekanntem Auflassort eine metergenaue Vermessung der Flugstrecke und mit der gespeicherten Ankunftszeit auch eine genaue Geschwindigkeitsberechnung möglich. So wird dann ddie schnellste Reisetaube des Vereins, des Bezirkes usw. ermittelt und dafür gibt es entsprechende Preise.
Solche „attraktiven“ Urkunden schmückten dann unsere Wohnung und die Gänge. Allerdings waren auch wertvolle Preise darunter, so ein massivgoldener Ring mit einer stilisierten Taube drauf, diesen Ring habe ich in den 70ern als Friedenstaubenring jahrelang getragen. Zuhause haben wir auch noch ein riesengroßes Silbermedaillon auch dies gewonnen mit den Brieftauben.
Mein Vater hatte bereits seit seiner Kindheit ein Händchen für die Geflügelzucht und so konnte er sich erstens gute Zuchttauben leisten und mit den entsprechenden Wissen und seiner Erfahrung auch entsprechend kreuzen und hatte so wohl einige spektakuläre Erfolge zu verzeichnen, wie mir erst kürzlich von einem „alten Brieftauberer“ erzählt worden ist, der sich unsere alten „Vogelsteign“ abholen durfte, bevor wir sie weggeworfen hätten.

Nichts desto trotz noch viel wichtiger waren ihm die Tauben im Bräter. Von der Schlachtung – bei uns wurde den Tauben im Hof kurzerhand und ganz schnell der Kopf abgerissen und dieser dann in den Kanal im Hof geworfen. Bei  Rablnachbarn ging das schon brutaler zu, um sie hinterher leichter rupfen zu können wurden die Tauben aufgeblasen und ihnen dann mit einer Schnur der Hals zugebunden. Ich sehe sie heute noch beim Nachbarn in der Einfahrt hängen.
Anschließend wurden die Tauben gerupft, auch dies häufig im Hof über dem Kanalgitter und dann ging´s ans Ausnehmen und Abflammen der Federnstifftl am Gasherd.
Während sonst immer meine Mutter oder Tante Lene fürs Kochen zuständig gewesen war, bei den Tauben und später beim Wiener Backhuhn war er der alleinige Küchenchef – auch die dunkelbraune Soße machte er selber und Herz und die anderen Innereien bereitete er zu.Für die Semmelknödel war dann wieder meine Mutter zuständig.
Stress gab´s nur mit uns Kindern weil wir seiner Meinung nach die Knochen nicht ausreichen genug abfieselten und für seinen Geschmack immer viel zu viel Fleisch noch drangelassen haben.
Mit dem Abbruch des großen Stadels im Hof und dem Neubau der Volierenanlagen verschwanden die Tauben und kamen erst viele Jahre später wieder im Pferdestall zum Vorschein.
 

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